Leinen los…

Bye bye, Almerimar! Nach ein paar stürmischen Tagen mit Wind aus der falschen Ecke (Poniente), nutzen wir den nächsten Levante (Ostwind), um gen Westen aufzubrechen. Es weht mit Stärke 5 bis 6 – und das ist auch gut so! Pigafetta pflügt mit 6 Knoten durchs Wasser, Genua und Besan sind gesetzt. Leider ist die See über diesen plötzlichen Wind- wechsel verwirrt, ziemlich kurze Wellen mit 1-2 Metern Höhe kommen schräg von achtern, manche mogeln sich auch querab heran.

Pigafetta rollt und buckelt in einem leicht wirren Rhythmus. Mein Magen beschwert sich. Allerdings erinnere mich an ein vergleichbares Reisegefühl, das es auch an Land gibt… doch woher genau? Ich schließe die Augen, schon traben sie heran: Kamele. Reiten auf den ‚Wüstenschiffen’ war zwar nicht ganz so taumelnd und außerdem berechenbarer, aber es fühlt sich deutlich ähnlich an. Mein Verstand etikettiert: ‚Ritt auf besoffenem Kamel durch blaue Wüste mit sich brechenden, weiß schäumenden Wanderdünen’. Mein Magen spendiert dieser Vision noch drei herzhafte Rülpser – und sofort fühle ich mich richtig gut! Wächst da womöglich gerade Seetang zwischen meinen Zehen?

Ein paar Stunden segeln wir in Küstennähe entlang Europas Gemüsegärten, deren Plastikabdeckungen im Sonnenlicht schimmern. Im Vordergrund gesellen sich karge Felsen, aber auch Strände und Touristendörfer hinzu, während die alles überragenden Gipfel der Sierra Nevada tatsächlich noch etwas Schnee bereithalten.

Flotter Wind aus Ost war für zwei volle Tage angesagt, aber schon am Nachmittag legt sich der Wind, um Siesta zu halten, und boet so blöd, dass die Segel zu schlagen anfangen. Tücher runter. Beim Bergen der Segel auf torkelndem Kamel stößt einer von uns gegen den Grill, der daraufhin die Fassung verliert und kopfüber mit den heranrollenden Wellen kokettiert. Nix da! Die Außenküche wird ruckzuck wieder ins Boot geholt. Nach ein paar weiteren Stunden unter Motor und in beruhigter See erreichen wir die idyllische Ensenada de la Herradura. Im Dämmerlicht werfen wir den Anker und stoßen auf unseren ersten wirklichen Segeltag an.

Da keiner weiß, was die Nacht bringen wird, schlafe ich im Cockpit. Es herrscht kaum Wind, und der, der weht, läuft um. Pigafetta rollt leicht mit dem Schwell mal hin, mal her oder kreist gelangweilt um sich selbst. Ich döse, über mir blinken die Sterne und am Ufer die nächtlichen Lichter des Dorfes. Aus dem Nichts vernehme ich plötzlich ein Blubbern und Prusten, ganz nah und einmal um das Schiff herum. „Taucher“, rate ich und ziehe vorsichtshalber die Badeleiter hoch. Besuch in Neopren, mitten in der Nacht? Das muss nun wirklich nicht sein. Ich döse weiter.

Plötzlich nahen die gleichen Geräusche, recht schnell und erheblich lauter, außerdem mehrfach. „Die ganze Tauchschule ist auf Nachtwanderung? Komisch.“ Schon fliegen Fische an der Reling entlang! Wow! Es folgen Flossen mit glänzenden Rücken und zum Prusten und Schnauben gesellen sich gelegentliche Klack-Klack-Geräusche: Delfine! 15 bis 20 Tümmler jagen ihre Beute in die Bucht hinein, direkt auf den Strand zu. Kerzengerade starre ich ihnen aus dem Cockpit hinterher. Da kommen sie auch schon in einem rasanten Tempo zurück, wieder das halbe Team links, das andere rechts vorbei, Pigafetta mitten drin. Dann dringt ein klares „Käck-Käck-Käck“ durch die Bucht und Stille ist.

Ich bin schwer beeindruckt. Es ist unsere erste Nacht ohne Landleine und wir sind bereits Teil eines Jagdkomplotts! Auch die Nixe grinst nicht schlecht über die Aktion mit der Badeleiter… ist ja gut, nicht alles, was blubbert, ist ein Taucher!

Am Morgen sind die Delfine noch da und frühstücken sich entspannt durch die Bucht. Natürlich bleiben wir ein paar Tage. Aber mit den Delfinen jagen, das bleibt das Privileg der ersten Nacht.

 

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Eine Antwort auf Leinen los…

  1. Dilce sagt:

    excellent post. fascinating reading.

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