Auf zu den Azoren

Nun haben wir am Ohrläppchen des Teufels geknabbert, ganz unten links. Dafür haben wir ihm aber kein Ohr abgesegelt, lieber nicht!

In dreieinhalb Tagen wuppten wir die 500 Seemeilen von Porto Santo zu den Azoren. Gar nicht mal schlecht. Allerdings verlief der Törn recht ungemütlich. Die ganze Zeit pustete der Wind mit 25 bis 30 Knoten. Die Wellen schäumten in 3-4 Metern, kamen mal von schräg vorne, dann querab, zuletzt von achtern.

Aber was war geschehen? Eigentlich wollten wir schon Ende Mai direkt von der Algarve nach Westen zu den Azoren, aber die Wetterfenster – wenigstens eine Woche mit gemäßigtem Wind – verliefen in diesem lang gestreckten Winter nicht optimal. Und einfach so raus auf den tosenden Atlantik, dazu fehlte uns der Mut, mangels Erfahrungen. Deshalb segelten wir bei passender Gelegenheit nach Süden, zur Insel Porto Santo. Kaum waren wir fünf Tage dort, holten uns jedoch die Fronten und Tiefdruckgebiete wieder ein.

Was tun? Tagelang bei 30 Knoten am Anker hängen, mutig in den Wolken herumwandern und grübeln, ob Pigafetta bereits ohne uns Madeira erkundet? Und dann wegen zunehmender See auch noch tagelang festsitzen? Oder den Anker aufholen und flugs am Wind zu den Azoren eilen? Wir entschieden uns für letztere Variante. Will heißen: shoppen, vorkochen, ausschlafen und los.

Kaum waren wir aus der Inselabdeckung raus, stiegen die Wellen auf über 3 Meter. Aber unser Vielmehrtonner tänzelte nicht auf den Wellenkämmen herum, sondern pflügte sich souverän durch Berg und Tal. Mit uns lief ein 12 m Gfk-Schiff aus, kehrte aber nach einer Stunde wieder um, weil es ihm (so meinen wir) schlicht an Eigengewicht fehlte.

Bald schon zeigte Madeira Kontur. Wir bestaunten noch die dunklen Farbtöne der Insel am Horizont, als Seenebel plötzlich alles um uns in waberndes Grau hüllte. Unsere Welt wurde augenblicklich klein, sehr klein. Wir stiegen weiter hoch und runter, aber jetzt in einer Welt aus purem Grau, die unteren Töne schwer bewegt, die oberen ganz still. Was, wenn man nun für immer und ewig in so einer Wolke herumsegeln müsste? Ganz allein! Doch auf dem Bildschirm erschien das AIS Signal eines schlendernden Tankers in sehr geruhsamer Fahrt. Als sich der Nebel dann genauso plötzlich auflöste wie er gekommen war, sahen wir ihn noch davonhuschen. Nein, auch hier draußen ist niemand ganz, ganz allein. Auf dieser wenig befahrenen Strecke trafen wir immerhin 3 Tanker / Containerschiffe, keine Segler.

Die ersten zwei Tage fuhren wir am Wind und an der Welle. Tausend Mal am Tag hoben wir an, um für Bruchteile von Sekunden frei in die Tiefe zu fallen, aller Schwerkraft zum Trotz. In diesen Momenten erinnerte sich mein Magen an Kindheit, Dom und Achterbahn. In diesen Momenten hoppste auch der Bleistift vom Nav-Platz und levitierte der Kaffee aus dem Becher heraus. Diesen Momenten folgte meist eine sanft ausklingende Landung oder aber ein grobes abruptes Krachen in die nächste Welle hinein. Zwei Tage, in denen wir mit 2 Reffs im Groß und einem im Besan unsere 6 bis 7 Knoten liefen. Je schneller, desto  fließender. Doch viel ging nicht wirklich im Inneren des Schiffes: sitzen, liegen, lesen, schlafen, essen, trinken. Gekocht haben wir nur Tee oder Kaffee, keine Menüs. Irgendwie fehlte immer eine Hand für egal was: ein Anfängerproblem!

Am dritten Tag kam dann wieder alles von der Seite: Wind, Welle, Wasser. Wir wackelten mit 6 Knoten voran, bemerkten aber, dass wir Santa Maria, die südlichste Insel der Azoren, mitten in der Nacht erreichen würden. So reduzierten wir auch die Genua und fuhren die letzten 10 Stunden sogar im Zickzack vor dem Wind. Oh ja, ab jetzt werden die Marinas schnuckeliger, da möchte man doch sehen, wo die Hindernisse lauern!

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