Das Unwetter, das in den letzten zwei Tagen die Iberische Halbinsel heimgesucht hatte, traf auch uns – zum Glück nur in seinen Ausläufern. An der Atlantikküste muss es sehr heftig gewütet haben. Und von der mediterranen Seite erfährt man auch viel Unheil.
Bei uns fauchte es 30 Stunden lang vom Himmel, in der Kernzeit mit 40-50 Knoten, in Böen bis zu 60 kn, das entspricht den Windstärken 8, 9, 10 bis 11.
Das war das erste Mal, dass wir einen ausgewachsenen Sturm am Anker abgewettert haben. Und ja, er hat sich bewährt, der gute 60 Kilo-Anker. Außerdem hatten wir das 10-Fache der Wassertiefe an Kette gesteckt, sicherheitshalber.
Hier ein Bild vom englischen Wetterdienst, Met Office, und unserem Barografen.
In der Nacht von Freitag auf Samstag, Kernzeit zwischen 03:00 und 10:00 Uhr, dachte keiner von uns an Schlaf. Die Aufregung überwog. Wird alles gut ausgehen? Nimmt der Wind noch weiter zu? Hält der Tampen mit der Teufelskralle. – Nein, der ist gerissen, die Kralle ist perdu – aber mit welch’ einem Ruck warf sich das Schiff dann in die Ankerkette, begleitet von lautstarkem Krachen…
Die dringendste Frage blieb: Was machen wir, wenn der Anker rutscht? Ganz ehrlich, sehr viel hätte nicht passieren können, denn der Anker hatte viel Platz zum erneuten Eingraben. Wir hätten den Motor angeworfen, für den Fall eine hinter uns ankernde Yacht wäre zu sehr in die Driftbahn geraten. Im schlimmsten Fall wäre Pigafetta gestrandet, hätte sich in den Lagunensand eingegraben und ein Fischer wäre jetzt hocherfreut, uns wieder heraushelfen zu dürfen! Aber das ist der Verstand, der da redet. Das Gefühl spricht eine eigene Sprache und es ist durchaus eine Herausforderung, sich vom Wüten des Windes nicht persönlich angegriffen zu fühlen.
Man liegt doch ziemlich angespannt in der dunklen Koje in so einem Auf und Ab, das sich anfühlt als wäre man im Inneren eines Schaukelpferdes. Der Sturm ist Herrscher über alles ringsum und er zischt, tost und heult, immer mehrstimmig, bald anschwellend, dann wieder abklingend. Parallel klötert, flappt und rattert es, während Schwappen, Gurgeln und Rumsen den Rahmen liefern. Klar, das hat was! Das ist besser als auf dem heimischen Sofa herumzulümmeln und ‘Discovery Channel’ im TV zu schauen – obwohl diese Variante deutlich weniger bedrohlich auf das Gemüt einwirkt.
Leider haben wir neben der Teufelskralle auch noch das Dingi zu beklagen, denn das hat was auf den Kopf bekommen – vermutlich die Windfahne. Kalle klebt ihm gerade eine, mal sehen, ob das reicht.
Zumindest hat die Regatta aus Faro heute schönen Segelwind. Und wir können das, was für die nächsten Tage angekündigt ist, eher entspannt angehen. Im Vergleich ist das gar nix. Allerdings kommen die Tiefs mittlerweile in einem Tempo angerollt als würde jemand Perlen auf eine Schnur ziehen. Und das, nachdem wir sechs Wochen lang sehr schönes, ruhiges Wetter hatten – mit überwiegend gar keinem Wind.
Wer sich fragt, was wir eigentlich schon wieder in der Lagunenwelt von Olhao und Culatra machen, dem sei verraten: Ein Sturm hat uns indirekt hierher gelotst.
Erst Ende November kamen wir aus Amora los. Der Nordatlantik hatte bereits Mitte Oktober den Winter eingeläutet und ein heftiges Sturmtief jagte das nächste. Wie bei unserer Ankunft Monate zuvor trugen Tejo und Lissabon mehrtöniges Grau – na, immer noch besser als Prada. Jedenfalls ankerten wir in der ersten Nacht in der Bucht von Cascais.
Die Nacht war still, kein Wind, kein Schwell und zum Frühstück lag ein Regenbogen über der Bucht. Das macht Lust auf mehr! Und es gab mehr, viel mehr – auch wenn wir in den ersten Stunden nach dem Auslaufen nur unter Motor vorwärtskamen.
Am frühen Nachmittag kam der versprochene Wind aus Norden und wir liefen mit 7 Knoten gen Süden, Richtung Madeira, Kanaren, oder mal sehen, was geht. Zuverlässige Wetterfenster erfassten mittlerweile höchstens 2 Tage und nicht länger, deshalb hatten wir verschiedene Routen geplant. Die Wellen kamen ebenfalls von schräg achtern, alles war paletti.
Mit durchgängig 7 Knoten Fahrt liefen wir ungefähr 30 Stunden lang gen Süden, weit über Cabo Sao Vicente hinaus. Der Wind hatte auf 35-40 Knoten zugenommen, was aber für unseren robusten 20-Tonner absolut kein Problem darstellt, eher das Gegenteil bewirkt, er fängt an zu galoppieren. Allerdings lagen die Wellen bereits bei 4-5 Meter Höhe, das hört sich vielleicht nicht nach viel an, aber mir reichte es. Als NAVTEX dann “gale warning with huge waves” – Sturm mit sehr hohen Wellen – für die südlichen Kurse aufs Display warf, überlegten wir nicht lange.
Der Wind kam nun aus Nordwest, sodass ein Kurs zurück nach Portugal, Richtung Algarve, sehr gut möglich war. Mit drei Reffs und der halben Genua rauschten wir, immer noch mit 7 Knoten Fahrt, jetzt nach Nordost. Gelegentlich fegten Regenböen mit bis zu 50 Knoten über uns hinweg – doch Pigafetta legte sich nicht auf die Seite, nein, er lief einfach einen Knoten schneller. Was für ein tolles Schiff!!! Die 100 Seemeilen nach Portimao vergingen wie im Flug. Und das Queren des Verkehrstrennungsgebietes ist dank AIS ebenfalls sicherer geworden. Noch im Dunkeln des frühen Morgens warfen wir den Anker und fielen erschöpft ins Bett. Seitdem kurven wir Algarve.